Soziale Fragen des städtischen Vergnügens

Gemeinsam mit Dr. Yvonne Robel von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) startete ich Anfang 2017 ein neues Forschungsprojekt: Wir beschäftigen und mit sozialen Fragen städtischen Vergnügens im Zeitraum von etwa 1860 bis 1970. Uns interessieren öffentliche und populäre Angebote und Orte des Vergnügens in der Stadt und wie Menschen verschiedener sozialer Zugehörigkeit sich diese aneigneten. Im Februar 2017 veranstalteten wir an der Universität Hamburg eine Tagung zum Thema; nun ist ein Themenheft der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Moderne Stadtgeschichte" (MSG) in Arbeit.

  • Publikationsprojekt
  • Förderer: Akademie der Wissenschaften in Hamburg, Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung, ZEIT Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
  • Projektzeitraum: 02/2017-12/2019
  • Ergebnisse: internationale Fachtagung, Themenheft einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift

Vergnügen zu erleben, war immer auch mit Reichtum und Armut sowie mit sozialen Regeln und Normen verknüpft. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert erweiterten sich für breite Massen schrittweise die Möglichkeiten des Vergnügens. Arbeitszeiten sanken und Löhne stiegen. Dadurch eröffneten sich auch ärmeren Bevölkerungsschichten Chancen auf soziale Teilhabe in ihrer Freizeit.

Sozialhistorische Veränderungen korrespondierten also nachhaltig mit dem Angebot von und der Nachfrage nach Vergnügungen. Zugleich stritten Politiker, Praktiker und Wissenschaftler seit der Jahrhundertwende 1900 über wachsende "Frei-Zeiten" fern von Erwerbsarbeit und über den sozialen Stellenwert von Vergnügen. Der Boom der 1950er Jahre verstärkte diese Diskussionen noch.

Dieses Spannungsverhältnis zwischen einer Geschichte des Vergnügens und einer sozialen Geschichte der Stadt für den Zeitraum von 1890 bis 1960 interessiert Dr. Yvonne Robel und mich. Deshalb veranstalteten wir mit Förderung der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung und der ZEIT Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius im Februar 2017 eine Tagung an der Universität Hamburg. Wir schrieben Beiträge zu den folgenden Fragen aus:

 

Konnten städtische Vergnügungsorte soziale Regeln zeitweise außer Kraft setzen? Wie wirkten sich politische Unterschiede auf das Verhältnis zwischen vergnüglichen und sozialen Fragen aus? Wie verhielten sich Vergnügungen zu sozialen Krisen- und Prosperitätserfahrungen? Welche Freiräume und Schranken schufen Kriegs- und Friedenszeiten? Egalisierten Vergnügungen die Nachkriegsgesellschaften in Ost und West? Welche Rolle spielten dabei Westernisierung, Amerikanisierung oder der Sozialismus?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- wie Ausland meldeten sich auf unseren Aufruf und wir konnten ein reiches Programm zusammenstellen.Im Zentrum der Tagung stand, die gesellschaftspolitische Bedeutung scheinbar unpolitischen Vergnügens zu diskutieren. Die Langzeitperspektive dabei ermöglichte es, den "Aufbruch in die Moderne" im Feld des öffentlichen städtischen Vergnügens sozial- und kulturgeschichtlich zu hinterfragen und seine längerfristige Wirkung empirisch zu überprüfen.

 

Ausgewählte Beiträge der Tagung stellen wir nun für ein Themenheft der peer-reviewed wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Moderne Stadtgeschichte" (MSG) zusammen. Das Heft soll Ende 2019 erscheinen.

Publikationen:

  • zusammen mit Yvonne Robel (Hrsg.): Stadt und Vergnügen. Moderne Stadtgeschichte (MSG), Heft 2.2019.
  • zusammen mit Ole Wittmann: "So was gibt's". Tattoos im Nachkriegsfernsehen. In: Hamburger Flimmern, Heft 24, Dezember 2017, S. 10-13.
  • zusammen mit Sigrun Lehnert: Der Winterdom 1950. Der Winterdom in der Kino-Wochenschau. In: hamburg.de/Hamburger Dom, 03.11.2017, online verfügbar.
  • Früher hieß es Hummelfest. Die Gründung des Hamburger Sommerdoms. In: hamburg.de: Hamburger Dom, 08.2017, online verfügbar.
  • Mareen Heying: Tagungsbericht "Öffentlich, populär, egalitär? Soziale Fragen des städtischen Vergnügens 1890–1960", HSozKult. Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften, 8.5.2017, online verfügbar.

Vorträge:

  • „Wir essen keine republikanische Arbeiterwurst!“ Besucher des Hamburger Doms, Vortrag auf der Tagung „Öffentlich, populär, egalitär? Soziale Fragen des städtischen Vergnügens 1890-1960 am 10.2.2017 an der Universität Hamburg, online verfügbar.

Medienauftritte:

  • Sabine Engel: Beitrag über Forschungen zum Sommerdom im Hamburg Journal, NDR-Fernsehen, 9.8.2017.
  • Marc Hasse: Der Dom - Spiegel der Hamburger Geschichte, in: Hamburger Abendblatt, 08.02.2017, online verfügbar.
  • Ursula Storost: Städtisches Vergnügen, Deutschlandfunk, 16.02.2017.