Das am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung angesiedelte Forschungsprojekt "Ankunft im Radio" untersucht die Folgen von Flucht und Vertreibung Deutscher aus dem östlichen Europa in der deutsch-deutschen Nachkriegszeit nach 1945, indem es einen dafür bislang vernachlässigten Akteur in den Mittelpunkt rückt: den Hörfunk.
Anders als andere Medien, ist der Hörfunk zum Thema Flucht und Vertreibung der Deutschen nach 1945 bisher kaum erforscht. Nur kleine Fallstudien und Examensarbeiten zum Thema liegen vor. Das Projekt "Ankunft im Radio" geht dieses Desiderat für den Nachkriegszeitraum bis 1961 an und betreibt erstmals umfassende Grund-lagenforschung für eine Hörfunk-geschichte von Flucht und Vertreibung.
Ausgangspunkt ist die in der Medien- und Zeitgeschichtsforschung inzwischen allgemein akzeptierte Position, dass Medien gesellschaftspolitische Prozesse nicht nur widerspiegeln, sondern dass sie
als Programmveranstalter selbst ereignisgeschichtliche Akteure sind. Auch Hörfunkprogramme sind kommunikative Handlungen, durch die das Medium den umgebenden Diskurs aktiv mitgestaltet.
Die Leitfrage der Studie ist, welche Funktion das Radio im ereignishistorischen Prozess der Eingliederung von zirka acht Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen in der Bundesrepublik und zirka vier Millionen in der DDR von 1945 bis 1961 übernahm. Es wird herausgearbeitet, inwieweit die Rolle des Mediums Hörfunk als eine integrierende beschrieben werden kann. Der dabei zu Grunde liegende Integrationsbegriff wird angeschlossen an Arbeiten von Benedict Anderson und Marita Krauss.
Die Quellengrundlage bilden Hörfunkprogramme aus den vier Besatzungszonen Deutschlands und aus den zwei deutschen Staaten. Diese sind fiktional wie non-fiktional und reichen von zielgruppen- bis zu allgemein adressierten Sendungen. Hinzugezogen werden Begleit-quellen, das heißt Korrespondenzen, Gremien- und Redaktionsprotokolle, Treatments und Konzeptpapiere, Programm- und Sendepläne, Auswertungen der Hörerforschung, Programm-zeitschriften und zeitgenössische Publizistik.
Die Quellen sind in den Unternehmens- und Historischen Archiven der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, im Deutschen Rundfunkarchiv, in den Landes- und Staatsarchiven sowie im Bundesarchiv
überliefert. Sie werden im Sinne einer historischen Diskursanalyse (Achim Landwehr) untersucht. Dabei nimmt die Studie eine deutsch-deutsch verflochtene Perspektive ein, um den Asymmetrien
zwischen den Integrations- und Mediendiskursen nachzuspüren.
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Bildnachweise: Baehr/HA SWR, wikimedia commons/Deutsches Rundfunk-Museum.