Ankunft im Radio

Flucht und Vertreibung in west- und ostdeutschen Hörfunkprogrammen 1945-1961

Das am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung angesiedelte Forschungsprojekt "Ankunft im Radio" untersucht die Folgen von Flucht und Vertreibung Deutscher aus dem östlichen Europa in der deutsch-deutschen Nachkriegszeit nach 1945, indem es einen dafür bislang vernachlässigten Akteur in den Mittelpunkt rückt: den Hörfunk.

  • Forschungs- und Vermittlungsprojekt
  • Förderer: Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Leibniz-Forschungsverbund Historische Authentizität
  • Projektzeitraum: 08/2015-12/2018
  • Ergebnisse: Monografie (in Arbeit), CD-Publikation, wissenschaftliche Aufsätze und Vorträge

Anders als andere Medien, ist der Hörfunk zum Thema Flucht und Vertreibung der Deutschen nach 1945 bisher kaum erforscht. Nur kleine Fallstudien und Examensarbeiten zum Thema liegen vor.  Das Projekt "Ankunft im Radio" geht dieses Desiderat für den Nachkriegszeitraum bis 1961 an und betreibt erstmals umfassende Grund-lagenforschung für eine Hörfunk-geschichte von Flucht und Vertreibung.


Ausgangspunkt ist die in der Medien- und Zeitgeschichtsforschung inzwischen allgemein akzeptierte Position, dass Medien gesellschaftspolitische Prozesse nicht nur widerspiegeln, sondern dass sie als Programmveranstalter selbst ereignisgeschichtliche Akteure sind. Auch Hörfunkprogramme sind kommunikative Handlungen, durch die das Medium den umgebenden Diskurs aktiv mitgestaltet.

 

Die Leitfrage der Studie ist, welche Funktion das Radio im ereignishistorischen Prozess der Eingliederung von zirka acht Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen in der Bundesrepublik und zirka vier Millionen in der DDR von 1945 bis 1961 übernahm. Es wird herausgearbeitet, inwieweit die Rolle des Mediums Hörfunk als eine integrierende beschrieben werden kann. Der dabei zu Grunde liegende Integrationsbegriff wird angeschlossen an Arbeiten von Benedict Anderson und Marita Krauss.

 

Die Quellengrundlage bilden Hörfunkprogramme aus den vier Besatzungszonen Deutschlands und aus den zwei deutschen Staaten. Diese sind fiktional wie non-fiktional und reichen von zielgruppen- bis zu allgemein adressierten Sendungen. Hinzugezogen werden Begleit-quellen, das heißt Korrespondenzen, Gremien- und Redaktionsprotokolle, Treatments und Konzeptpapiere, Programm- und Sendepläne, Auswertungen der Hörerforschung, Programm-zeitschriften und zeitgenössische Publizistik.


Die Quellen sind in den Unternehmens- und Historischen Archiven der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, im Deutschen Rundfunkarchiv, in den Landes- und Staatsarchiven sowie im Bundesarchiv überliefert. Sie werden im Sinne einer historischen Diskursanalyse (Achim Landwehr) untersucht. Dabei nimmt die Studie eine deutsch-deutsch verflochtene Perspektive ein, um den Asymmetrien zwischen den Integrations- und Mediendiskursen nachzuspüren.

Publikationen:

  • zusammen mit Christoph Hilgert und Gloria Khamkar: Airtime for Newcomers. Radio for Migrants in the United Kingdom and West Germany, 1960s–1980s, Media History, 1.7.2019, DOI: 10.1080/13688804.2019.1633912.
  • zusammen mit Hans-Ulrich Wagner: Vom Radio-Sketch zum akustischen Heimatspeicher. Ludwig Manfred Lommel und seine schlesische Rundfunkreihe "Neues aus Runxendorf". In: Uwe Breitenborn; Kai Knörr (Hrsg.): Mediale Flieh- und Bindungskräfte. Migration, Identität und Medien. Sonderheft zur 47. Jahrestagung des Studienkreises Rundfunk und Geschichte in Bonn 2017, Frankfurt am Main 2019, S. 55-67.
  • Interview mit Ellen Schonter: Radio. Flucht und Vertreibung in deutschen Hörfunkprogrammen 1945–1961 (Heimatverlust in Wort, Bild und Ton), in: 19Neunzehn. Magazin der Universität Hamburg (2018) 10, S. 20–23, hier 22.
  • Zwischen Aufklärung und vertonter Ikone. Norddeutsche Radioprogramme über Flucht und Vertreibung der Deutschen. In: Nele Maya Fahnenbruck; Johanna Meyer-Lenz (Hrsg.): Fluchtpunkt Hamburg. Zur Geschichte von Flucht und Migration in Hamburg von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Bielefeld: transcript Verlag 2018, S. 25-39.
  • Ohren auf! Historische Radiosendungen zu "Flucht und Vertreibung" als neue Dokumente der Zeitgeschichte und Ressourcen für die Geschichtsvermittlung. In: Robert Maier (Hrsg.): Migration als Unterrichtsthema in Deutschland und Tschechien, Repositorium des Georg-Eckert-Instituts, Eckert.Dossiers, online verfügbar (2018).
  • Biografie der ostpreußischen Rundfunkmacherin Marion Lindt im Online-Lexikon „Hamburger Persönlichkeiten“, März 2018, online verfügbar.
  • Interview für das Projekt des Haus des Dokumentarfilms "Daheim in der Fremde", 12.2017, online verfügbar.
  • Interview "Flucht und Vertreibung im Hörfunk". In: Rundfunk und Geschichte 43, Nr. 1-2/2017, S. 3-5.
  • zusammen mit Hans-Ulrich Wagner: Flucht und Vertreibung im Rundfunk. Tondokumente aus den Jahren 1945 bis 1960, hrsg. v. Hans-Bredow-Institut, Hamburg: Verlag Hans-Bredow-Institut 2017 (Tonträger/CD).
  • 1945: Flüchtlinge in Norddeutschland. Ein Beitrag zur „NDR-Chronik“, 5.12.2016, online verfügbar.
  • Auf Augenhöhe. Begegnungen von Archivar/innen und Historiker/innen am Deutschen Rundfunkarchiv in Frankfurt/M. In: Rundfunk und Geschichte 41, Nr. 3-4/2015, S. 50-52.

Vorträge:

  • Wissenschaftlicher Umgang mit historischen Tondokumenten, Workshop für Schulklassen der Oberstufen zur Abiturvorbereitung am 8. März 2018 im Willy-Brandt-Haus Lübeck.
  • Erinnerung an Flucht und Vertreibung im Radio. Hörbilder über Mittel- und Osteuropa in der jungen Bundesrepublik. Vortrag beim Seminar "Erinnerungskulturen in Mitteleuropa" am 13. Dezember 2017 im Heiligenhof, Bad Kissingen.
  • Radio Journalists as Migration Regime. Networks of German expellees in Early West German Public Service Broadcasting, Vortrag auf der 41. Jahrestagung der German Studies Association (GSA) am 6. Oktober 2017 in Atlanta, GA, USA.
  • Vom unpolitischen Sketch zum akustischen Heimatspeicher: Die schlesische Rundfunkreihe "Paul und Pauline". Vortrag zusammen mit Hans-Ulrich Wagner auf der Konferenz "Mediale Flieh- und Bindungskräfte.  Migration,  Identität und Medien. 47. Jahrestagung des Studienkreises Rundfunk und Geschichte" am 8. Juni 2017 bei der Deutschen Welle in Bonn.
  • Airtime for Newcomers. Radio’s Contributions for Making Migrants Feel at Home in a New Homeland, Vortrag zusammen mit Gloria Khamkar und Christoph Hilgert auf der Tagung "Tracing Entanglements in Media History" am 19. Mai 2017 an der Lund University, Schweden.
  • Geschichte hören: Radiosendungen zu "Flucht und Vertreibung" als unentdeckte Ressource für die Geschichtsvermittlung, Vortrag auf der XIV. deutsch-tschechischen Schulbuchkonferenz, veranstaltet vom Georg-Eckert-Institut Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung, am 4. November 2016 an der Südböhmischen Universität in České Budějovice/Budweis, Tschechien.
  • Karelien im Radio, Vortrag auf der Tagung "‘Verlorener Osten?‘ Erinnerungen an Zwangsmigrationen in Finnland und Deutschland nach 1945" am 17. September 2016 im Akademiezentrum Sankelmark, Oeversee.
  • Migration und Medien: Der Nordwestdeutsche und der Norddeutsche Rundfunk (NWDR/NDR) als integrationspolitischer Akteur in der Flüchtlingskrise nach 1945, Vortrag in der Vorlesungsreihe "Migration in Hamburg: Flucht und Exil von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart" am 11. April 2016 an der Universität Hamburg, online verfügbar.
  • Medien über Flüchtlinge – Medien für Flüchtlinge? Nachdenken über historische wie aktuelle Filme und Radiobeiträge zu Flucht und Vertreibung, Vortrag bei einem Themenabend des Vereins "KlopfKlopf. Lübeck ist weltoffen" am 9. März 2016 in der Volkshochschule Lübeck.
  • The ARD Broadcasting Archives: Collections of the German Refugees’ and Expellees’ Dialects?, Vortrag zusammen mit Hans-Ulrich Wagner auf der Tagung "Sammeln im Exil. Imagination einer zurückgelassenen Heimat/Archival Collections in Exile. Making and Remaking Images of Home Abroad" am 24. Februar 2016 am Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft in Marburg.
  • Ankunft im Radio. Flucht und Vertreibung in west- und ostdeutschen Hörfunkprogrammen 1945-1961, Vortrag im 12. Medienwissenschaftlichen Kolloquium im Nordverbund am 12. Dezember 2015 an der Universität Bremen.

Bildnachweise: Baehr/HA SWR, wikimedia commons/Deutsches Rundfunk-Museum.